Bei der Tee-Ernte gilt der Leitsatz: „Stick to the roots“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Teeblätter werden von Hand und mit viel Fingerspitzengefühl gepflückt. Diese Methode erhält nicht nur die Frische, sondern sorgt auch für einen sanfteren Geschmack. Mit geschultem Blick wählen die Arbeiter:innen nur die jüngsten, pflückreifen Triebe aus.
Ältere Blätter oder Zweige, durch die der Tee faseriger und die geschmackliche Qualität verringert würde, sortieren sie aus. Worauf es bei der Tee-Ernte neben Geschicklichkeit noch ankommt, zeigen die folgenden fünf Fakten.
Guter Geschmack erfordert Geduld – das gilt nicht nur für die Ziehzeit einer Tasse Tee, sondern bereits davor. Bis eine Teepflanze reif genug ist, um auszutreiben, können zwischen vier und zwölf Jahre vergehen. Wiederum bis zu drei Jahre ziehen ins Land, bis die ersten Blätter geerntet werden können.
Tee wird mehrmals Mal pro Jahr geerntet, im Frühling, gegen Ende des Sommers und im Herbst. Für viele Sorten gilt dabei der Leitsatz: „Das Beste kommt zuerst“. Da sich die Teepflanze über den Winter im Ruhemodus befindet, verlangsamt sich ihr Wachstum während dieser Zeit und die Aromen konzentrieren sich im Inneren. Nach vier Monaten erwachen die Teepflanzen aus dem Winterschlaf und bringen frische hellgrüne Blätter hervor, die vor Nährstoffen und Geschmack nur so strotzen. Bei Grüntee gilt der Tee aus der ersten sogenannten „Shincha-Ernte“ als der hochwertigste. In der zweiten Jahreshälfte sorgen steigende Temperaturen für erschwerte Erntebedingungen, zudem beschleunigt die Sonne das Wachstum der Teeblätter, was deren geschmackliche Qualität und ihren Wert mindert.
Bei Darjeeling-Tee bezeichnen Experten die erste Erntezeit als „First Flush“. Passend zur Jahreszeit schmeckt der Tee aus dieser Ernte nach Frühling: blumig, frisch und fruchtig. Die Ernte im Sommer bringt dafür würzigere Tees hervor, deren Aufgüsse eine dunklere Farbe in der Tasse ergeben. Im Herbst findet die letzte Ernte des Jahres statt, aus der milde Tees hervorgehen, die sich besonders für den Nachmittagstee eignen.
Aller guten Dinge sind drei – das gilt auch für die Tee-Ernte. So hängt der Erntezeitpunkt erheblich von dem Zusammenspiel aus Sonnenlicht, Temperatur und Niederschlag ab. Sonnenstrahlen lassen die Pflanze gedeihen und kräftigen ihre Blätter, die dadurch einen stärkeren, würzigeren Geschmack entwickeln. Auf Plantagen in Wäldern oder nebeligen Hochlagen blühen die Pflanzen dementsprechend erst später.
No rain, no flowers – beziehungsweise: no rain, no tea leaves. Damit die Teepflanze wachsen kann, braucht sie genügend Feuchtigkeit. In einem Jahr sollten mindestens 1000 Millimeter an Regen zusammenkommen. Das ist in etwa so viel Niederschlag, wie jährlich in München oder New York vom Himmel fällt. Mit den Temperaturen nähert sich in der kalten Jahreszeit auch das Wachstum der Blätter dem Nullpunkt an. Bereits bei etwa 10 Grad Celsius verabschiedet sich die Teepflanze für einige Monate in den Winterschlaf. Außer in den südlichsten Anbauregionen in China findet im Winter daher keine Ernte statt.
Je nach Standort der Plantage unterscheiden sich die Wetterbedingungen und damit auch Zeitpunkt und Dauer der Ernte. Generell gilt jedoch: Je nördlicher die Plantagen, desto kürzer die Erntesaison. In südlichen Gebieten wie Indonesien, Sri Lanka, Kenia, Südindien und China dauert die Saison aufgrund der Temperaturen (fast) das ganze Jahr.
Teepflücker:innen brauchen nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch das perfekte Timing. Wird zu früh gepflückt, ist der Ertrag geringer; unter einer zu späten Ernte leidet die Qualität. Am besten sollten die Blätter geerntet werden, wenn sie drei bis fünf Knospen ausgebildet und die richtige Größe erreicht haben.
In diesem Fall gilt es, keine Zeit zu verlieren: Bis die frischen Triebe zu groß geworden sind, vergehen meist nur wenige arbeitsintensive Tage. Im Schnitt pflückt ein:e Arbeiter:in an einem Tag zwischen 16 bis 24 Kilogramm grünes Blattgut, woraus später zwischen vier und sechs Kilogramm fertiger Tee entstehen.
Bei einem leckeren Tee kommt nicht alles in die Tasse – von Sorte zu Sorte verarbeiten Hersteller unterschiedliche Bestandteile der Teepflanze. Bei den meisten Sorten erntet man in der Regel „two leaves and a bud“, die beiden feinsten Blätter mitsamt der Knospe. Warum das so ist? Auf den Kronen der Teesträucher wachsen die jüngsten und hochwertigsten Blätter, da sie die höchste Konzentration natürlicher Inhaltsstoffe beinhalten. Für weißen Tee, eine der seltensten Sorten der Welt, wird aus diesem Grund sogar nur die Knospe, auch „silver tip“ genannt, gepflückt.